Das tödliche Gift der Nation und die Vorteile, die es verspricht
"Je unerbittlicher das (kapitalistische) Wertgesetz zuschlägt, den einzelnen
das Brandzeichen (Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Armut, soziale Deklassierung,
Perspektivlosigkeit) einbrennt, desto nützlicher und notwendiger werden geistige
Ersatzbildungen, die nun das legitimieren, was vielen als letzter Halt bleibt: die
Herkunft, die nationale Zugehörigkeit und vermeintliche Zusammengehörigkeit.
Wo alles nur noch seinen Preis hat, wird als letzter Wert das Nationalgefühl
präsentiert (dessen Preis letzten Endes der Opfertod im Krieg zu sein pflegt.)
Suggeriert wird: Wären nur die Fremden nicht, könnte man die Probleme
bewältigen.
Je stärker die arbeitsteilige Gesellschaft sich ausdifferenziert, die Menschen
sozial atomisiert werden, desto größer wird offenbar der Surrogatbedarf.
Und da auch der Professor, so sehr er in quasi- feudalen Strukturen lebt, den Gesetzen
der Marktwirtschaft gehorcht, versucht er eilends, die Nachfrage zu befriedigen.
Es könnte allerdings auch sein, daß er gleich zu viel des Guten bzw.
Schlechten tut, indem er als Volkstheoretiker zugleich Angebotspraktiker ist (folgend
den "Chikago Boys"). Im Falle von Hondrich haben wir es sogar mit einem
Anbieter(oder Ranschmeißer) zu tun, der einen bereits weitgehend gesättigten
Markt mit Billigprodukten überschwemmt. Wie billig sie sind, läßt
sich unschwer seinem Spiegel-Essay vom 4.1.1992 entnehmen. (..) "Der Staat,
nach dem jetzt gerufen wird, kann nur Herr der Lage werden, sofern das Volk sich
mit seinen Sorgen und Wünschen von ihm verstanden und vertreten fühlt
- und nicht von Gewalttätern. Die Anschläge auf Asylheime, von der Mehrheit
verurteilt, symbolisieren gleichwohl die Meinung derselben Mehrheit, daß der
Staat dem Zuzug von Fremden Einhalt zu gebieten habe."
"Mit anderen Worten: Der starke Staat muß den Gewalttätern die Arbeit
abnehmen, indem er sein Gewaltmonopol ihr Geschäft besorgen läßt.
Der "Asylkompromiß" von CDU/CSU, FDP und SPD ist denn auch genau
die realpolitische Umsetzung des Hondrichschen Programms; und er ist, nahezu wörtlich,
die Übernahme der entsprechenden Passagen des Parteiprogramms der Republikaner
aus dem Jahr 1987. Präziser läßt sich der Weg, den die Republik
in den vergangen Jahren genommen hat, nicht beschreiben. Die rechtsradikale Opposition
von vorgestern ist die politisch Mitte von heute."
"Seit dem Zusammenschluß der beiden deutschen Staaten und Gesellschaften
öffnen sich wieder alte deutsche Wunden. Soziologische Wunderheiler wie Hondrich
offerieren tödliches Gift als Medizin. Man sollte sich vorsehen; erkrankte
Ärzte sind ansteckend."(D.R.Knoell, Lehrmeister Hondrich als Volks-Schüler,
In: H.M.Lohmann, Extremismus der Mitte S.144-167)
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Most recent revision: April 07, 1998
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Martin Blumentritt