Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Zweiten Weltkriegs

Eine genaue Statistik der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Europa läßt sich mangels vollständiger Unterlagen ebenso wenig erstellen wie eine Gesamtbilanz der Verluste durch Kriegshandlungen und deren Folgen während der Jahre 1939 bis 1946.
1. Hinsichtlich der Opfer der NS-Herrschaft gilt auch heute noch, was Reinhard Henkys 1964 schrieb: "Eine annähernd genaue, von allen Fachleuten akzeptierte Statistik der Todesopfer nationalsozialistischer Verbrechen gibt es nicht. Die Gründe dafür liegen in dem unvorstellbaren Ausmaß dieser Taten. in der strikten Geheimhaltungspolitik des Staates, der Vernichtung der meisten einschlägigen Akten, der Verquickung von Ausrottungsaktionen mit Kriegshandlungen und in der Unvollkommenheit der demographischen Unterlagen, die aus den osteuropäischen Staaten, vor allem aus Sowjetrußland zur Verfügung stehen."
Nach den derzeitigen Ermittlungen sind dem nationalsozialistischen Regime in Europa durch verbrecherische Maßnahmen (also ohne Einbeziehung der Kriegshandlungen) insgesamt mindestens 13 Millionen Menschen zum Opfer gefallen. Diese Gesamtzahl setzt sich im einzelnen zusammen aus:
- etwa 6 Millionen Juden, - etwa 3,3 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen (die man mehr oder weniger absichtlich umkommen ließ), - etwa 2,5 Millionen christlichen Polen, - mindestens 100.000 Zwangsarbeitern aus der Sowjetumon, - mindestens 500.000 in deutschen Arbeitslagern und Konzentrationslagern umgekommenen Jugoslawen, - mindestens 100.000 tschechoslowakischen Zivilisten, - mindestens 84.000 ums Leben gekommenen nichtjüdischen Deportierten aus den nord- und westeuropäischen Staaten (einschließlich Italien), - etwa 219.600 Zigeunern verschiedener Nationalität, - etwa 100.000 vorwiegend deutschen Geisteskranken und Behinderten (sogenannten Euthanasie-Opfern), - etwa 130.000 nichtjüdischen Personen deutscher Staatsangehörigkeit, die aus politischen oder religiösen Motiven aktiven oder passiven Widerstand gegen das Regime leisteten.

2. Die Zahl der während und infolge des Krieges ums Leben gekommenen Militärpersonen nichtdeutscher Nationalität wird auf 17,2 Millionen geschätzt, die der Zivilpersonen nichtdeutscher Herkunft auf mehr als 15,8 Millionen. (In diesen Zahlen sind die oben genannten nichtdeutschen Opfer der NS-Gewaltherrschaft inbegriffen).
3. Auf deutscher Seite werden die Toten und Vermißten der Wehrmacht und der paramilitärischen Verbände (Waffen-SS, Organisation Todt, Reichsarbeitsdienst, Polizeieinheiten, Volkssturm und anderer) mit etwa 4,2 Millionen angegeben, die Zahl der zivilen Luftkriegstoten mit über 500000.
Die Vertreibungsverluste unter der deutschen Zivilbevölkerung aus den Ostgebieten innerhalb des ehemaligen Deutschen Reiches (in den Grenzen von 1937) betrugen etwa 1,39 Millionen, aus den deutschen Siedlungsgebieten im Ausland 886300, insgesamt also etwa 2,27 Millionen Menschen.
Auch die deutschen Statistiken differieren beträchtlich: Ein Mitarbeiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Major Overmans, stellt in einer 1989 veröffentlichten Studie mit Recht fest, es gebe keine zuverlässigen Zahlen über die deutschen Verluste im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg. Als Gründe nennt er die kriegsbedingten Beeinträchtigungen des Meldewesens, Gebiets- und Bevölkerungsverschiebungen, Verlust von Akten während und nach dem Krieg. Darüber hinaus müsse man die Nachkriegssituation berücksichtigen: "Die Organisationen, die sich mit den Verlusten befaßten, hatten das Ziel, individuelle Schicksale zu klären. Sie gingen daher pragmatisch vor, exakte Definitionen und statistische Erhebungen waren weniger relevant, weil sie zur Schicksalsklärung nichts beitrugen." Diese Feststellung gilt wohl für alle Staaten und Nationen.

Hellmuth Auerbach, in: W.Benz, Legenden Lügen Vorurteile

[ Top | Zurück ]


Most recent revision: April 07, 1998

E-MAIL: Martin Blumentritt