Sven Cronenberg & Radek Krolczyk
Über Tierrechte, Erdbefreiung und die Konsequenz der Selbstliquidierung
Legebatterien sind wie Konzentrationslager, Unabhängig vom Menschen, hat die
Natur einen eigenen Wert, Rassismus fängt da an, wo Mensch sagt: es sind ja
nur Tiere, sind Parolen mit denen leidenschaftliche Honig- und Käseesser oftmals
von VeganerInnen und TierrechtlerInnen torpediert werden. Nicht weniger unhinterfragt
und unrefelktiert sind dagegen jene Polemischen Eier, mit denen FleischesserInnen
und junge-welt AutorInnen zurückwerfen. Nach denen sind Schweine generell zum
gegessen werden prädestiniert da für die Weltrevolution nicht zu gebrauchen.
Egal ob Tofu oder Schitzel, überzeugte VeganerInnen oder nicht: Wird über
Veganismus diskuttiert, so wird schnell klar, daß meist nur ein recht holzschnittartiger
Begriff von Natur und Tieren vorhanden ist. Für die einen besitzen Tiere den
selben Wert wie Menschen, in vielen Polemiken gegen Veganismus, die den linken Blätterwald
durchziehen, - außerhalb linker Bewegungen ist diese Diskussion, zumindest
in Deutschland, eher untypisch - werden Tiere als bloße Objekte begriffen.
Oft wird der Fehler begangen, alle VeganerInnen in den selben Topf zu werfen. Die
einzelnen Begründungen für vegane Ernähnrungsweise oder für
das verfechten von Tierrechten sind sehr unterschiedlich und widersprüchlich.
Dies gilt z.B. für die politsichen Vorstelluneg, in die der Veganismus eingebettet
ist. Einige VeganerInnen beschränken sich auf die indviduelle Lebensweise der
Tiere. Sei es, weil sie am Leiden der Tiere keine Mitschuld haben wollen oder sich
in den Kopf gesetzt haben, jegliche Machtstrukturen abzubauen. Oftmals soll, durch
das Vorleben von veganem lifestyle, von der Möglichkeit veganem Lebens überzeugt
werden.
Hauptsache Unterdrückung
Einige Gruppen ergänzen die Idee von der Triple of Opression (vor allem im
autonomen Spektrum verbreitete politische Theorie, bei der davon ausgegangen wird,
daß es drei wesentlich von einander unabhängige Unterdrückungsverhältnissse-
Rassismus, Sexismus, Kapitalismus - gibt) um weitere Unterdrückungsverhältnisse,
so etwa durch die Diskriminierung von Behinderten, Lesben und Schwulen oder eben
der Ausbeutung von Tieren. Häufig wird dafür der Begriff Untity of Opression
verwendet.
Mach meinen Hasen nicht an!
Im Gegensatz dazu stehen etwa Animal Peace . Sie treten für eine tiergerecht-reformierte
Bundesrepublik ein, in der sämtliche Machtstrukturen zwischen den Menschen
erhalten bleiben, Hühnern jedoch ein angenehmeres Leben - jenseits der Legebatterie
- ermöglicht wird. Gerade in Publikationen von Animal Peace wird die Vermenschlichung
von Tieren deutlich. Meist läuft es darauf hinaus, dadurch Mitleid für,
durch den Menschen geschundene Tiere zu erregen. Ein besonders gutes Beispiel für
die Vermenschlichung der Tiere, ist der oft verwendete Begriff vom Hühner-KZ,
als Bezeichnung für Legebatterien. Der Vergleich dieser Tierhaltungsvorrichtungen
mit systematischer und industrieller Vernichtung von Millionen Menschen, ist wohl
ohne Zweifel in seiner Funktion ein Auschwitz relativierender. Selbst wenn die Intention
seiner Anwender eine völlig andere ist. Der Vergleich soll wohl Paralellen
zwischen Rassismus und Spezizismus-als gleichwertige, Selektionsprinzipien- aufzeigen.
Ich sterb, damit es leben kann
TierrechtlerInnen unterscheiden sich in großem Maße von ErdbefreierInnen.
Ersteren liegt es wohl in erster Linie am Herzen, den Tieren als Individuen, Rechte
- im Sinne von Menschenrechten - zu gewähren, letzteren geht es um die Befreiung
der Natur als Ganzes. Die Frage danach, was denn eigentlich diese Natur sei, deren
Ketten da gesprengt werden sollen, bleibt meist ungestellt. Die Forderungen nach
einem back to nature, können nur erhoben werden, konstruiert man einen Dualismus
zwischen Natur und Zivilisation. Der Natur wird damit eine Eigenständigkeit
zuphantasiert, die sie einfach nicht besitzt. Natur wird vom Menschen immer nur
als das wahrgenommen, als das sie für die jeweilige Gesellschaft gilt. Man
mag es als Historizismus angreifen... Es ist einfach unverkennbar, daß sich
der Naturbegriff, - allein in den letzten beiden Jahrhunderten - gesellschaftlich
bedingt, immer wieder wandelte. Vertreter des Zeitalters der Aufklärung, wie
etwa Hegel, begriffen Natur als etwas, dem Menschen untergeornetes, das es für
den Menschen zu formen gilt. Nur wenige Jahrzehnte später, während der
Eppoche der Romantik, hatte Natur plötzlich etwas eigenes, wurde zum Subjekt
erklärt. Der Naturbegriff wurde also um 180 Grad gedreht.
Für den Menschen bleibt kein Platz...
Von der Zivilisation befreien läßt sich die Natur also nur - bleibt man
konsequent - durch die Selbstliquidierung dessen, was Natur zu Gesellschaft macht:
die Menschheit. Eine De-Evolution, die dem Menschen die Fähigkeit zur Selbstreflexion
und zum Aufrechten Gang wieder nimmt, ist wohl kaum realiasierbar. Die polemische
Frage, auf die Forderung nach der Befreiung der Erde, von wem oder was sie denn
befreit werden solle, ist also weniger primitiv denn berechtigt. Nun weichen viele
Erdbefreier wohl zum Teil aus Angst, zum Teil aber auch aus Mangel an theoretischen
Grundlagen vor den oben genannten Konsequenzen. Wohl gibt es aber auch Wald- und
Wiesenguerilleros, die sich dieser Konsequenz bewußt sind und sie auch einfordern.
Muh! Ich weiß was Du denkst
Ein weiteres grundsetzliches Problem des Tierrechtsdiskusrses ist, daß der
Mensch über das Befinden von Tieren immer nur als Mensch zu urteilen in der
Lage ist. Wie eine Kuh sich etwa fühlt, ist für den Menschen, nicht festellbar.
Es ist daher schon äußerst problematisch für einen Tierrechtler
- so sehr er sich auch den Tieren verbunden fühlt - als Mensch über das
Empfinden der Tiere zu sprechen, weil dies ja beim Tier ein Bewußtsein nach
menschlichem Prinzip - nur ein solches ist für den Menschen nachvollziehbar,
alles andere wären bunte Bauklotzburgen - vorraussetzt. Die Fähigkeit
zur Differenzierung zwischen sich und der Umwelt, sowie auch die Möglichkeit
zur Reflexion des eigenen Handelns ist den Tieren nicht gegeben. An dieser Stelle
setzt der Tierrechtschor zu meist mit den bereits oben abgehandelten Eigenwertchorälen
ein. TierrechtlerInnen bleibt also lediglich ihre eigene Vorstellung von Recht,
daß sie - sich selbst zum Souverän erhoben - den Tieren auferlegen. Schwierig
ist es auch, den Rubicon zwischen Tier- und Pflanzenwelt sicher festzustellen, um
als Tierrechtler überhaupt konkret benennen zukönnen, welche Lebewesen
denn unbedingt zu schützen seien.
Völlig vertrocknen, um beim Bild zu bleiben, wird er; ist das moralische Prinzip,
welches richtungsweisend ist, pathozentristischer Natur, soll also, die Leidensfähigkeit
der Lebewesen in den Mittelpunkt gesetzt, und Leiden vollkommen verhindert werden.
Der Mensch enthauptet sich also quasi selber, jeglicher Erdbefreiungs- und Tierrechtsgedanke
führt ihn, geht er ihn nur konsequent genug, zur Guillotine oder bestenfalls
in den Stahlkäfig.
Es stellt sich also vor allem die Frage nach dem Stellenwert, dem Stellenwert den
Tiere etwa, im Verhältnis zu dem eigenen innehaben sollten. Kann es tatsächlich
für emanzipatorische Kräfte, - die Verallgemeinerung ist hier unumgehbar-
unter diesen Vorraussetzungen überhaupt förderlich sein, für Tierrechte
oder gar für Erdbefreiung einzustehen? Es ist notwendig sich an dieser Stelle
die Frage zu stellen, ob nicht vielleicht doch für den Menschen der Mensch
im Mittelpunkt stehen sollte und ob der Kampf für eine freie Gesellschaft nicht
als wichtiger gewertet werden sollte, als für eine, von der Gesellschaft befreite
Natur oder Tierreich.
Aus: Schlagloch 1/1997, Zeitung der JungdemokratInnen/Junge Linke NRW
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Most recent revision: April 07, 1998
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Martin Blumentritt