Von den Grenzen des Wachstums zum Wachsen der Grenzen
In den zahlreichen Texten der ökologischen Diskussion tauchen zwei wesentliche
Naturvorstellungen auf. Nach der einen ist die Natur begrenzt und bedroht und setzt
daher der menschlichen Aktivität Schranken: Die Erdressourcen sind endlich
- in einem geschlossenen System ist kein unbegrenztes Wachstum möglich. Diese
Aktivität heißt in dieser Vorstellung meist Eingriff und ist durch die
Benennung von Anfang an negativ belegt. 'Eingriff' gilt gemeinhin nur dort als angemessen,
wo er den kranken Körper (der ärztliche Eingriff), Unfälle und Katastrophen
oder die Wiederherstellung von 'Recht und Ordnung'(die Polizei greift ein) betrifft.
Im Sinn der ersten Naturvorstellung bedeutet das Wort die Verletzung einer natürlichen
Ordnung und Würde, die Zerstörung der versiegenden Lebensgrundlage Natur.
Und daher meint der 'sanfte Umgang' mit ihr vor allem einen zurückhaltenden
und folglich einen verarmten: Wenn Beziehungen einzig vom Verzicht bestimmt werden,
so verkümmern diese.
In der zweiten, weit weniger dominanten Naturvorstellung hingegen erscheint, worauf
Armin von Gleich hinweist (Wechselwirkung, Heft 21, 1984), das Zielproblem ihrer
Verwirklichung. Im Bundesprogramm der Grünen, in dem ebenso die erste Linie
enthalten ist ('wir dürfen die Stabilität der Ökosysteme nicht zerstören'),
heißt es an anderer Stelle: 'Unsere Politik ist eine Politik der aktiven Partnerschaft
mit der Natur und den Menschen.' Diese Vorstellung wiederum verweist auf das Entwicklungspotential
der äußeren Natur, denn die Partnerschaft mit einer begrenzten Endlichkeit
wäre weder aktiv, noch gestaltend oder gar schöpferisch, sondern bloße
Krankenpflege oder ein Haushalten im Duktus der Nachkriegszeit.
Ein entscheidender Unterschied beider Vorstellungen liegt im Arbeitsbegriff. In
der ersten ist die Reaktion auf die vom Kapital beherrschten Destruktivkräfte,
auf die fortschreitende Vernichtung von Beziehungs- und damit Lebensmöglichkeiten
in Stadt und Land eine statische: Die Erfahrungen mit der bürgerlich korrumpierten
Arbeit versperren die Horizonte einer befreiten als einem 'ersten Bedürfnis
des Lebens'. In der zweiten wird dieses Bedürfnis jenseits eines Arbeitens,
das 'durch Not und andere Zweckmäßigkeit bestimmt ist' utopisch als freie
Tätigkeit bedacht. Die produktive gesellschaftliche Praxis bleibt somit offen
für Entwicklungen, in denen die befreite, zu befreiende Arbeit einen solidarischen
Naturumgang ermöglicht.
Beide Vorstellungen haben politische Konsequenzen: Der Metapher vom 'Raumschiff
Erde' (der Planet als geschlossenes Öko-System) entsprechen, je nach Tradition,
unterschiedliche gesellschaftliche Leitbilder. Eine Tradition der Rechten ist hierbei
hinlänglich bekannt: die apokalyptische Beschwörung. Mittels dieser wurde
die herannahende Katastrophe, der bevorstehende Untergang der herrschenden Klasse,
die Niederlage ihres Militärs, zum Unheil für Volk und Vaterland erklärt.
'Nichts glauben Zeitgenossen abergläubischer, als daß ihre Zeit keine
Epoche sei, unter den besonderen Bedingungen sozialer und geistiger Widersprüche,
sondern ein politisch pervertiertes Jüngstes Gericht; daß sie kein Übergang
sei sondern ein Abgrund; daß sie keine Verwandlung sei sondern ein Untergang.',
so Joachim Schumacher in 'Die Angst vor dem Chaos'(Frankfurt 1978, 15)
Gegenwärtig wird aus der nationalen Ideologie eine internationale: Es droht
allen unterschiedlos die Weltdämmerung, in dieser werden alle Katzen grau,
die Unternehmer und Unternommenen aller Laender werden ins gleiche Boot gesetzt.
Das apokalyptische Abstraktum stiftet scheinbare Gleichheit zwischen an sich Ungleichen
und ist damit den Warenkategorien verwandt: dem Geld, dem physikalischen Kalkül.
Davon leitet sich nicht nur der Aufruf zur Konservierung der Vergangenheit und der
gegenwärtigen Naturreste ab, sondern vor allem eine Verschleierung des grundlegenden
Problems: der Charakter der gesellschaftlichen Stoffwechselbeziehungen. Faßten
Klages und Spengler zwischen den beiden Weltkriegen nur den Untergang des Abendlandes
ins Auge, so muß heute eine globale 'Ökokrise'zur Verdunklung der politischen
Widersprüche herhalten. Solcherart werden die gesellschaftlichen Schranken
als Naturschranken ausgegeben: indem statisch verstandene Naturgesetze alle gleichermassen
beschränken, verschwindet das Eigentumsproblem als wesentliche Grundlage der
Naturverwüstung.
Gleichwohl enthält jeder Schein auch ein Sein, das Ablenkungsmanöver hat
eine Quelle in der wirklichen Erfahrung, die Apokalypse ihr materielles Substrat.
An der gesellschaftlichen Verarbeitung dieser Erfahrung, am Charakter der jeweiligen
Forderungen zeigen sich indessen Unterschiede. Bei scheinbarer Gleichheit der vorrangigen
Untergangsvisionen bei den Grünen und in der Friedensbewegung stehen ihre konkreten
Voten für eine Änderung der herrschenden Strukturen in Opposition zum
konservativen bürgerlichen Meisterdenker, den Zwillingen und Gehilfen des offiziellen
Zweckoptimismus. [Das dürfte sich mittlerweile überholt haben, nachdem
Grüne Regierungen bildeten und zwar keine Macht aber Ämter bekommen hat
MB] Die interessierte Verbreitung von Zukunftsangst seitens der Denker korrespondiert
mit der regierungsamtlichen Zuversicht; beides dient einem entgegengesetzten Ziel:
den Veränderungswillen zu lähmen, politische Utopien zu verdrängen,
das Projekt Sozialismus zu begraben. Von daher sind ihre Aktionen uneigentlich:
die staatstragende Ökologie, die als 'Umweltschutz von oben' auf die Bedrohung
der materiellen Produktions- und Lebensgrundlagen reagiert, versucht, dem Interessenkonflikt
einzelner Unternehmen gerecht zu werden. Die industrietragende Ökologie wiederum
bringt das Kunststück fertig, Gift und Gegengift in gleichen Ma? zu produzieren
- der sich entfaltende öko-industrielle Komplex erzielt dieserart doppelten
Gewinn.
Bekanntlich ließ sich die deutsche Industrie weder durch Klages noch durch
Spengler beirren. Zur Zeit propagiert die eine Hand den engeren Gürtel, die
andere aber greift gleichzeitig nach den Weltmeeren, den Polarregionen oder in den
Kosmos, betastet zur Lösung der Weltmarktkrise weiterhin den Erdball - mit
oder ohne MIT-Studie oder Global 2000-Bericht. Auf seiten der Herrschenden hat die
Beschwörung ökologischer Krisen die besagte ideologische Funktion,, indem
gesellschaftliche Widersprüche umgetauft werden zu ökologischen Schranken.
Der affirmative Charakter dieser Taufe, die propagandistische Sicherung der bestehenden
Verhältnisse, bestätigen die Unterscheidung Karl Mannheims: Ideologie
ist die Denkart der Herrschenden, Utopie die der Unterdrückten. Zur Täuschung
gehört die apokalyptische Überhöhung in Gestalt des allgemein drohenden
Untergangs: je abstraker die Vision, umso gefahrloser für die real-existierenden
Zustände. Der tatsächliche Raubbau hier und jetzt bleibt unberührt
- die Aktionen gegen Dünnsäure-Verknappung sind lebensgefährlich.
Die Unternehmen haben kurzfristige Interessen, die vielfältigen Gegenbewegungen
haben keinen Grund, sich diesem kurzen Atem anzuschließen. Es gibt gute Motive
für unmittelbare Bürgerinitiativen und es gibt ebenso gute für das
Denken in langfristigen Perspektiven, fern vom Gleichgewicht einer politischen Ökonomie.
Auf dieser Seite stellt sich die Frage der Konsequenz anders, ist doch die Absicht
eine grundverschiedene. Die eingangs unterschiedenen Naturvorstellungen bedeuten
für die Praxis der Herrschenden auch der ersten kleine Zugeständnisse
und Korrekturen, nach der zweiten (in ihrem Verständnis 'reichen' Natur, die
sich stets reproduziert) das Signal für weiteren technokratischen Optimismus,
wie er etwa beim Futurologen Kahn ('Vor uns die guten Jahre') Ausdruck findet. Die
im besten Sinne utopischen Programme der Linken hingegen stehen vor einer schwierigen
Frage. Währenddessen haben sich Marktwirtschaftler, Industriemanager und Minister
des Ökologiethemas konkurrierend angenommen. An die Stelle eines noch vagen
Gefühls notwendiger Umkehr und grundsätzlicher Opposition zum Industriekapitalismus
tritt der 'Realismus' von Machern. Ein Großteil der Öko-Literatur erscheint
dem gegenüber unpraktisch und perspektivlos. Es begann sich somit ein Geburtsfehler
zu rächen: Der gängige Ökologismus hat die äußere Natur
nicht als Feld reicher menschlicher Entfaltung vorgestellt und seine Kritik gegen
den Versuch der Unterwerfung gerichtet, sondern Natur als Grenze, als Feld von Versagungen
behandelt. Das minderte immer schon die Kritik an gesellschaftlichen Institutionen,
verstärkt das Gefühl der Aussichtslosigkeit und verschafft Befürwortern
des gesellschaftlichen Status quo die Luft, ihre Lösungen als realitätsgerecht
zu verkaufen.
Angefangen hatte es bei uns mit folgender Überlegung: zwar ist es richtig,
daß die herrschende Produktionsweise die Erde als Lebensgrundlage in maßlosen
Raubbau plündert; folgt aber daraus, daß sich der Mensch zurückhalten
und die weitere Entwicklung beenden, sich an einem früheren Entwicklungsstand
orientieren muß? Ist die Alternative zur Naturverwüstung die Rückbesinnung
auf eine bäuerliche Welt, bedeutet ein 'natürliches' Verhältnis zur
Natur die Abschaffung der modernen Technik und Industrie? Die spontane, übliche
Antwort auf die ökologische Krise (Stichwort: Gürtel-enger-schnallen,
Sich-bescheiden, tendenzielle Rücknahme der modernen Entwicklung) machte uns
Schwierigkeiten: wenn wir immer wieder betonen, daß die gegenwärtigen
Verhältnisse Natur und Mensch ausbeuten und das Ziel einer menschlichen sowie
natureigenen Identität der gemeinsamen und individuellen Selbstverwirklichung
in allen Lebenszusammenhängen dagegensetzen, wie paßt diese Perspektive
zur Forderung nach bescheidener Zurückhaltung - beides scheint sich doch gegenseitig
auszuschließen?
Im Rahmen der ökologischen Diskussion war dieser Widerspruch für kaum
jemanden ein Problem. Im Gegenteil: Je differenzierter eine ökologische Position
ausgearbeitet wurde, desto stärker forderte sie die Rückkehr zum begrenzen
Maß. Dagegen erhob sich nur selten, meist rot-grüner, Einspruch und dieser
blieb im wesentlichen hilflos, weil er über Behauptungen nicht hinauskam und
nicht in der Lage war, detailliert ökologisch zu argumentieren. (...)
Dieser Widerspruch zwischen dem Ziel menschlicher Emanzipation und den postulierten
'Grenzen des Wachstums' beschäftigte viele von uns, und die Einrichtung eines
überregionalen Diskussionskreises 'Ökologie und Arbeit' im Jahre 1981
galt dem Zweck, die Fragen zur Entfaltung von Mensch und Natur in regelmäßigen
Treffen anzugehen. Unsere Problemgemeinschaft war und ist heterogenen Charakters,
ihre etwas dreißig Mitglieder stehen in unterschiedlichen beruflichen Zusammenhängen.
Dieses, einhergehend mit verschiedenen theoretischen Positionen, trug dazu bei,
vielfältige Wege zu verfolgen und somit interne Gleichgewichte produktiv zu
stören: wir haben miteinander gelernt. (...)
Unsere Arbeit begann mit dem Studium maßgeblicher Texte der ökologischen
und emanzipatorischen Literatur, also solcher, die mittelbar oder unmittelbar besonderen
Einfluß auf die öffentliche Diskussion haben (zum Beispiel der Autoren
Traube, Strasser, Illich, Heller, Georgescu-Roegen, Gruhl, Amery, Rifkin, Mumford,
Ullrich, Gorz, Meillassoux, Huber, Lowen - siehe Anhang). In den Kritiklinien und
Alternativvorschlägen dieser Literatur kreuzen sich, wie eingangs in allgemeinen
Überblick formuliert, von Anfang an die beiden Tendenzen: zum einen die Behauptung
einer Naturschranke für menschliche Entwicklung, mit der Konsequenz: Selbstbescheidung,
Rohstoffbewirtschaftung, stationäre ökologische Kreislaufwirtschaft und
- je nach Temperament - Wendung nach innen oder Stählung für die imperialistische
Konkurrenz um die letzten Ressourcen; zum anderen die Diskussion von Alternativen
im Naturumgang: Konvivialität statt Kontraproduktivität (Illich), Dezentralität
statt Megamaschine(Mumford), angepaßte weiche statt harter Technologie. Beide
Tendenzen treten meist ununterscheidbar gemischt auf; sie haben indes sehr unterschiedliche
Entwicklungsperspektiven.
Dominant geblieben ist in der Ökoliteratur bisher die erste Tendenz. Sie verstand
es bisher auch allein, die Weihen einer naturwissenschaftlichen Großtheorie
für sich zu mobilisieren mit der Behauptung der Entropie als universalen kosmologischen
Gesetz. Diese Tendenz arbeitet also nicht nur mit den Vorzügen der einen oder
anderen menschlichen Verhaltensweise, sondern mit der Struktur der Naturmaterie
selbst; am weitesten ausgearbeitet findet sich dieses Konzept bei Georgescu-Roegen.
Das Entropiegesetz des zweiten thermodynamischen Hauptsatzes hat sich seinen Apologeten
zufolge in der bisherigen Naturforschung als universell gültig erwiesen. Die
Menschen stehen nicht außerhalb der Natur, also muß es auch für
den menschlichen Naturumgang Gültigkeit haben. So lautet - verkürzt -
die Argumentation der Entropiker. Solange die darin zum Ausdruck kommende Anschauung
über die Gesetzmäßigkeit der äußeren Natur unbestritten
bleibt, wird sich die Suche nach Alternativen nicht vom Magersuppengeschmack befreien
können.
Es galt, sich die physikalische Grundlage der apokalyptisch gefärbten Knappheitstheorien,
in denen der Mensch eher als behutsamer Nachtwächter antizipiert wird denn
als Prometheus, genauer anzusehen. Wir erkannten, daß der entropische Argumentationsgang
sich als unhaltbar erweist. Bereits unsere eigene Existenz weist auf die evolutiven
Strukturen des Universums, die seit dem 'Urknall' in dauernden Um- und Neugestaltungen
immer neue Ordnungen hervorbrachten: es bilden sich bestaendig offene Systeme, in
denen Komplexitätszuwachs stattfindet.
Dieses Motiv fanden wir in den Naturwissenschaften, aktualisiert durch die Forschungsarbeiten
zur Selbstorganisation der Materie von Prigogine, Jantsch, Haken, Eigen, Maturana
und anderen. Wir hatten den Eindruck, daß sich hier etwas Anderes und Weiterführendes
zeigt, weil eine neue Sichtweise der Natur erarbeitet wird. Zum zerstörerischen
Verhältnis Natur gehört eine entsprechende Sicht: Sie wird zum beliebig
ausbeutbaren Material. Und Natur als Material ist eine entwürdigte: nur Objekt
des menschlichen Willens, ganz Wachs ohne eigene Dynamik. Prigogine setzt dagegen
anders an: man kann nur die Natur dann verstehen, wenn man sie gerade nicht als
ein ewig gleichförmiges System sieht, sondern als eines, das neue Qualitäten
schafft, ständig im Fluß ist, sich selbst organisiert und das sich im
Laufe der Evolution von ganz einfachen Formen bis hin zu Strukturen höchster
Vielfalt entwickelt.
Diese Sichtweise war vielversprechend: wenn die Natur ständig in Bewegung und
Entwicklung begriffen ist, dann ist auch der Mensch in diesen Prozeß einbezogen.
Dann käme es darauf an, diesen Prozeß in einer adäquaten Weise mitzuvollziehen
und nicht jegliche Entfaltung abzubrechen und sich zu beschränken. Die bisher
aufgestellten ökologischen Positionen waren in erster Linie noch dem alten,
statischen Naturbegriff verhaftet, weil sie Natur und Zivilisation als Gegensatz
denken und eine lebenswürdige Produktionsweise fälschlich durch den Verweis
auf das Gleichgewicht von ökologischen Systemen begründen. Aus der Sicht
der Selbstorganisationstheorien ergab sich demgegenüber für uns eine erweiterte
Kritik an unserem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem: es ruiniert die Natur nicht
nur deswegen, weil es am Profit orientiert ist und den möglichen Reichtum der
Naturbeziehungen verachtet, sondern weil im gesamten Verhältnis zur Natur ihre
autonome Dynamik und selbstüberschreitende Tendenz geleugnet wird. (...)
Die Vorstellung des Naturreichtums ist allen Theorien der Selbstorganisation gemeinsam.
Politisch steht der Begriff des Reichtums gegen die Enteignung und Verarmung des
Menschen in seinen Fähigkeiten, seinen Lebensbedingungen und ebenso gegen die
Verelendung der Natur. DIe antizipierte Union von Mensch und Natur in wechselseitiger
Entfaltung ist das Gegenbild zum entropischen Weltgesetz und bedeutet zudem die
Überschreitung der verbreiteten These, die Welt müsse erhalten werden.
In dieser Überschreitung liegt die Betonung auf Veränderung der Beziehungen,
auf beiderseitige Vielfalt von Mensch und Natur als Bedingung der Union. Prigogines
Buchtitel: "Vom Sein und Werden"(Piper, 1980) bezeichnet die gestaltenreiche
Zukunft der Naturmaterie und damit einen Entwurf, der von der entropischen Gegenutopie
des Wärmetodes grundverschieden ist. Hierbei stehen weder seine Theorie noch
die allgemein Koevolutionstheorie des Universums von Jantsch in Widerspruch zum
zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Sie beschreiben ja gerade die entropisch bedingte
Stabilität von Teilen eines Systems als eine Voraussetzung systemischer Entwicklungen:
ohne Sprossen keine Leiter. In ihren Theorien ist entropisches Gleichgewicht nicht
Endstation, sondern Zwischenstation des Werdens. Diese Dimension ist wesentlich
spezifischer für die Naturprozesse, die zum Leben auf der Erde,, also auch
zum menschlichen Leben führten. Zwar werden die Berge durch den Regen abgetragen
zu Sand und Erde, aber dieses schafft zugleich dem Pflanzen- und Tierleben neuen
Raum und damit die Möglichkeit zur Ausbildung von Nervensystemen, Gehirnen,
Sprache, Hand, Gesellschaft. Diese Prozesse sind irreversibel. Aber sie sind nicht
zu Ende und lassen sich steigern in Richtung hoeherer Komplexitaet und somit mannigfacher
Beziehungen. Es geht um die Frage, wie möglichst reiche Entfaltung innerhalb
des unumkehrbaren Prozeßstruktur möglich ist; es geht um das Experiment
Welt, in dem konkrete gesellschaftliche Praxis die Natur fördernde 'als Quelle
alles Reichtums' begreift, in dem Mensch und Natur zu sich finden.
(Aus der Einleitung von J.R.Bloch/W.Maier, Wachstum der Grenzen. Selbstorganisation
und die Zukunft der Gesellschaft.)
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Most recent revision: April 07, 1998
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Martin Blumentritt