Biologismus und Menschenfeindlichkeit
In Teilen der Ökologiebewegung macht sich gefährliches Gedankengut breit.
Militante Tierschutzgruppen machen immer häufiger Schlagzeilen. Immer wieder
werden Tiere aus Schlachthöfen "befreit", Jagdhochsitze angesägt,
und Brandanschläge auf Tierversuchslabore verübt. Für eine "vegane"
Lebensweise, gegen die Ausbeutung von Tieren wird geworben. Von den Akteuren wird
dies damit begründet, Tiere zu töten sei genauso schlimm wie das Töten
von Menschen. Doch nicht nur "vegane Tierrechtsgruppen", sondern auch
Prominente wie der Theologe Eugen Drewermann oder die Journalistin Alice Schwarzer
treten für die Rechte von Tieren ein. Was steckt wirklich dahinter?
Veganismus ist eine radikalisierte Forrn des Vegetarismus. Nicht nur das Essen von
Fleisch, sondern jeglicher Konsum von tierischen Produkten wie Milch oder Honig
sei abzulehnen, da dies immer mit der Tötung oder Ausbeutung von Tieren verbunden
sei. Begründet wird dies damit, daß Tiere ebenso wie Menschen leidensfähig
seien, und deshalb kein moralischer Unterschied zwischen Menschen und Tieren gemacht
werden könne. Systematisch wird von veganen Tierrechts-Gruppen die Grenze zwischen
Mensch und Tier angegriffen und dazu aufgerufen, Mensch und Tier als gleichwertig
anzusehen. Alles andere sei "menschliches Herrenmenschendenken" und "Arroganz".
Das anthropozentrische (den Menschen in den Mittelpunkt stellende) Weltbild sei
"speziezistisch", genau so schlimm wie z.B. Rassismus. Bei derartige Denken
kann es nicht verwundern, daß Hühnerlegefabriken und Schlachthöfe
von Tierrechtsgruppen immer wieder als "Tier-KZs" bezeichnet werden, eine
unerträgliche Relativierung des Holocausts. Und in der Tat, wer Menschen in
seinem Denken nicht in den Mittelpunkt stellt, müßte beispielsweise die
Bekämpfung einer Heuschreckenplage als etwas genauso Schlimmes wie das massenhafte,
fabrikmäßige Morden in Auschwitz ansehen. Mit der Ablehnung eines anthropozentrischen
Weltbildes wird die moralische Schranke für das Töten von Menschen entscheidend
abgesenkt.
Das hat Konsequenzen: In der veganen Zeitung "instinkte" wurden Menschen
bejubelt, die Gullideckel von Brücken aud fahrende Autos geworfen hatten. Selbst
der US-amerikanische "UNA-Bomber", ein von technik- und zivilisisationsfeindlichen
Ideen bessener Mann, der an technische Einrichtungen und Universitäten Dutzende
von Briefbomben verschickt hatte, was mit vielen Verletzten und auch einigen Todesfällen
verbunden war, fand in der Zeitschrift "Die Eule"(1/1995) Anklang. In
der gleichen Ausgabe dieses Blattes findet sich auch ein Comic, der die systematische
Tötung von Autofahrern als Lösung für das Problem der Luftverschmutzung
propagiert. Und in einem von einer veganen Gruppe aus dem Ruhrgebiet verteilten
"Tierrechtsleitfaden" finden sich als Nachwort die Sätze: "
An die ZweiflerInnen, die Teilnahmslosen und diejenigen, die es besser machen würden,
wenn sie den Willen dazu hätten. Wisset diese eine Wahrheit: Dadurch, daß
Du dein Leben durch das Leid anderer bestreitest, wäre es für diese Welt
besser, wenn du stirbst." Derartige Selbstüberhöhung und Sendungsbewußtsein
sind in der veganen Szene durchaus üblich. Anfang Juni 1996 fand in Frankfurt
eine Demonstration gegen Tierversuche unter dem Motto "Kreuzzug (!!!) für
die gequälten Versuchtiere" statt. Zentrales Problem auf der Erde sind
in dieser kruden Ideologie die Menschheit und die Zivilisation als solche. So schreibt
die Gruppe "earth first" in ihrer Selbstdarstellung: "Der Mensch
ist einzige Wesen, das in maßloser Gier und Unverständnis unter all den
Lebenden gewütet hat und nach mehr griff, als ihm zusteht. (...) Diese Schuld
hat sich die Menschheit kollektiv aufgeladen. Reiche und Mächtige teilen sie.mit
all ihren Unterdrückten." Geworben wird im gleichen Text auch für
das Zerstören von "Maschinen und Autos". Gesellschaftliche Konflikte
und z.B. ökonomische Ursachen von Umweltzerstörung werden als unwichtig
erklärt und "die wilde untereinander verbundene Gemeinschaft, die Wildnis,
der Lebensfluß, der nicht durch industrielle Störung oder menschliche
Anmaßung behindert werden darf" mystifiziert.
Zu einem anthropozentrischen Denken kann es keine rationale Alternative geben. Die
Frage, ob z.B. die Natur zerstört ist oder nicht, läßt sich eben
nur vom Standpunkt eines bestimmten Lebewesens aus klären. "Gesetzt den
Fall, eine Stubenfliege vermöchte sich eine Meinung über ihre Umwelt bilden(...),
so würde die Stubenfliege das Fehlen faulenden Fleisches in der Stube als existentielle
Zumutung empfinden und von ordentlichen ökologischen Verhältnissen erst
wieder reden mögen, wenn sich die Katze unter dem Sofa.erbricht und damit eine
Fülle von Nahrungsressourcen verfügbar macht". (Jürgen Dahl
in Natur, Nr. 12/1982). Zudem müssen immer wieder Entscheidungen zwischen dem
Wohlergehen von Menschen uad Tieren getroffen werden. Hier kann es immer nur eine
Möglichkeit geben. Ökologische Politik, die das Wohlergehen des Menschen
nicht zum Maß aller Dinge macht, muß in Esoterik, ökodikatorischen
Vorstellungen oder schlimmstenfalls sogar Massenmorden enden.
Henning Flad
Dieser Text wurde nicht im redaktionellen Konsens veröffentlicht.
Aus:
Bochumer StudentInnen Zeitung
Nr. 488 Freitag, 17. April 1998
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Most recent revision: April 07, 1998
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Martin Blumentritt