Die PC-Lüge
Die Rechtsextremisten verwenden immer wieder einen altbekannten Trick, der heute
nur einen neuen Namen bekommen hat. Wenn man den Ausdruck "Political Correctness"
(PC) hört, so kann man vorab schon böswillige Absichten dessen erkennen,
der ihn gebraucht. Er will etwas öffentlich äußern, was völlig
rechtens auf die Empörung eines vernünftig denkenden Menschen stößt.
Adorno hat den Trick, den die heutige Abwehr von PC praktiziert, bereits schon 1962
in einem Vortrag "Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute", dargestellt
und entlarvt.
"Ein besonders hintersinniges Argument ist: "Man darf ja gegen Juden heute
nichts sagen." Es wird sozusagen gerade aus dem öffentlichen Tabu über
dem Antisemitismus ein Argument fuer den Antisemitismus gemacht: wenn man nichts
gegen Juden sagen darf, dann - so läuft die assoziative Logik weiter - sei
an dem, was man gegen sie sagen könnte, auch schon etwas dran. Wirksam ist
hier ein Projektionsmechanismus: daß die, welche die Verfolger waren und es
potentiell heute auch noch sind, sich aufspielen, als wären sie die Verfolgten.
Dem kann man nur dann begegnen, wenn man nicht etwa idealisierend, wenn man nicht
etwa Lobreden auf grosse jüdische Männer hält oder hübsche Bilder
von israelsichen Bewässerungsanlagen oder Kibbuz-Kindern dort vorführt,
sondern eben die jüdischen Zuege, auf welche die Antisemiten deuten, erklärt,
ihr Recht und ihren Wahrheitsgehalt darstellt."(Werke Bd. 20 S. 368)
Man ist das ewige "man darf heute ja nicht sagen", das jede ausländerfeindliche,
antisemitische, nationalistische oder faschistische Rede einleitet, schon längst
satt, so oft hat man das gehört. Daher ist die Formulierung durch die Abwehr
einer angeblichen Gefahr von "political correctness" ersetzt worden. Die
Funktion ist die gleiche geblieben. Man will etwas sagen, was vorab das schlechte
Gewissen beunruhigt und antezipiert die Kritik, die zwangsläufig der Ungehörigkeit
der Äusserung folgen muß.
Die Abwehr von PC fällt auf den Autoren zurück, sie kündigt nur die
Unverschämtheiten an, die dann folgen werden. Wer etwas zu sagen hat, das nicht
rechtens auf Empörung jeden anständigen Menschen stoßen wird, der
kommt nicht auf die Idee seine Rede mit "man darf das ja heute nicht sagen"
oder "es entspricht nicht der PC", was ich sagen will einzuleiten.
Wenn ein Text damit beginnt gegen PC zu wettern muß man ihn nicht mehr zuendelesen,
um zu wissen, daß Verstöße gegen die Menschenwürde und Volksverhetzung
folgen werden.
Die Abwehr von PC soll genau das Erreichen, was man einer angeblichen Durchsetzung
von PC unterstellt, sie soll die eigenen in der Regel unakzeptable rassistischen,
nationalistischen oder antisemitische Auffassungen gegen Kritik immunisieren, sie
ist also Projektion.
Projektion ist im psychoanalytischen Sinne die "Operation, durch die das Subjekt
Qualitäten, Gefühle, Wünsche, sogar "Objekte", die es verkennt
oder in sich ablehnt, aus sich ausschließt und in dem Anderen, Person oder
Sache, lokalisiert. Es handelt sich hier um eine Abwehr sehr archaischen Ursprungs,
die man besonders bei der Paranoia am Werk finde, aber auch in "normalen"
Denkformen wie dem Aberglauben."(Lapanche/Pontalis, Das Vokabular der Psychoanalyse,
Artikel Projektion)
Diese Art von Projektion finden wir in letzter Zeit gebetsmühlenhaft in den
neofaschistischen Publikationen wie der "Jungen Freiheit" Wenn man die
Sache genauer besieht, so findet sich außerhalb von rechtsextremen Publikatioen
nirgends jemand, der positiv für "political correctness" eintritt.
In ähnlicher Weise hat man ständig in rechtsextremen Kreisen den Kollektivschuldsvorwurf
traktiert, den im Ernst niemand erhob, jedenfalls nicht in dem Sinn und der Bedeutung,
wie er abgewehrt wurde.
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Most recent revision: April 07, 1998
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Martin Blumentritt