Deutsch-jüdisches Patientenkollektiv

Deutsche Patrioten wenden sich dem Historiker und Co-Patrioten Michael Wolffsohn zu, der die Juden in der Bundesrepublik immerzu ermahnt, nicht mit der "Auschwitz-Keule" um sich zu schlagen. In jedem Fall ist es stets von Vorteil, sich darauf berufen zu können, ein jüdischer Freund, Kollege, Journalist oder Professor habe dies oder jenes gesagt, was man selber als Nichtjude nicht sagen dürfe.
Was die deutschen Patienten in die Arme der jüdischen Therapeuten treibt, ist klar: das Verlangen nach Absolution. Wie bei einigen Naturvölkern die Angehörigen des ermordeten Opfers das Recht haben, den Mörder zu erlösen, ihn vor dem Henker zu retten, so suchen auch die Deutschen ihr verlorenes Seelenheil bei ihren Opfern. Was die Juden dazu bewegt, in diesem Spiel den ihnen zugedachten Part des Erlösers zu übernehmen, ist ebenso eindeutig: Zum erstenmal, seit sie den gelben Stern an die Kleider nähen mußten, bekommen sie die Gelegenheit den Deutschen als Überlegene entgegenzutreten. Sie können die Absolution erteilen oder verweigern, sie sind in der Lage, die guten von den schlechten Deutschen zu separieren, sie haben jede Schlacht seit 1933 verloren und doch den Krieg moralisch gewonnen. Und so ist an die Stelle der ehemaligen alldeutschen Volksgemeinschaft ein deutsch-jüdisches Patienten- Therapeutenkollektiv getreten, des Angehörige aufeinander angewiesen sind, wie ein Blinder und eine Tauber bei dem Versuch gemeinsam eine sechspurige Schnellstraße zu überqueren. Einige kommen dabei unter die Räder, andere erreichen erschöpft und verwirrt das rettende Straßenufer. Wie jener nach dem Krieg geborene Jude, der mit der Tochter eines ehemaligen SS-Mannes names Adolf ein Kind namens Sahra produziert hat. Er hält es für seine Aufgabe, die Tradition des deutschen Judentums fortzusetzen, der deutsch-jüdischen Symbiose neues Leben einzuhauchen.
In diesem Sinne gibt es noch viel zu tun. Packen wir es an!
H.M.Broder, Erbarmen mit den Deutschen, S. 168

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Most recent revision: April 07, 1998

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