Die Ursachen des neueren Antisemitismus

"Die Verwüstung der Friedhöfe ist keine Ausschreitung des Antisemitismus, sie ist er selbst. Die Vertriebenen erwecken zwanghaft die Lust zu vertreiben. Am Zeichen, das Gewalt an ihnen hinterlassen hat, entzündet endlos sich Gewalt." Max Horkheimer/Theodor W. Adorno
Die Vielen Schändungen jüdischer Friedhöfe, die in den vergangenen Jahren verübt wurden, sind bislang weitgehend ohne Reaktion geblieben - sowohl in der sogenannten "Öffentlichkeit", in der nur vereinzelte Stimmen fassungslos vor dem Wiedererstarken des Antisemitismus gewarnt haben, um die Schändungen gleichzeitig begriffslos als Handlungen vereinzelter "Skinheads" und "Ewiggestriger" zu qualifizieren, als auch in antifaschistischen Kreisen,d ie ihre Energie vorwiegend auf den Kampf gegen Ausländerfeindlichkeit und Asylantenhetze zu konzentrieren.
Der "Antisemitismus nicht trotz, sondern wegen Auschwitz", der ein wesentliches Moment der gesellschaftlichen Dynamik des Antisemitismus seit 1945 benennt, ist sicherlich ein für die Erklärung des Antisemitismus in einer Gesellschaft, in der fast keine Jüdinnen und Juden mehr leben, wichtiger Gedanke. Er erklärt aber nicht, warum es ausgerechnet _jetzt_ zu einer solchen Häufung von Friedhofsschändungen kommt. Offensichtlich steht dieses Anwachsen des Antisemitismus in Verbindung mit der Eskalation rassistischer Aggressionen, die sich gegen Sinti und Roma, gegen Asylbewerberinnen und -bewerber und allgemein gegen südländische, osteuropäische und asiatische Ausländer und Ausländerinnen richten.
Die Vielschichtigkeit dieser Entwicklung allerdings macht deutlich, daß sie nicht sinnvoll mit dem Einheitsbegriff "Rassismus" zu fassen ist. "Rassismus" entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein Bündel unterschiedlicher Verfolgungs- und Rechtfertigungspraktiken, deren Wurzel tiefer liegt als in je individuellen "Einstellungen" und "Verhaltensweisen" (siehe Jan Philipp Reemtsma: "Die Falle des Antirassismus", in KONKRET 11/90). Ihnen ist gemeinsam, daß sie der Abwehr einer empfundenen Bedrohung dienen, indem sie der Angst vor einer Ausgrenzung durch die Ausgrenzung anderer begegnen und die dadurch vermittelte Identifikation mit den (eigentlich bedrohlichen) Herrschaftsverhältnissen zu festigen suchen. Die verschiedenen rassistischen Artikulationen müssen so als Reaktionen auf unterschiedliche Momente der gesellschaftlichen Gewaltverhältnisse verstanden werden. Gleichwohl nimmt der Antisemitismus eine Sonderrolle ein, und zwar nicht allein aufgrund seiner Geschichte, sondern auch wegen seiner spezifischen inneren Struktur.
"Der bürgerliche Antisemitismus hat einen spezifischen ökonomischen Grund: die Verkleidung der Herrschaft in Produktion", schreiben Horkheimer und Adorno zur Frage nach dem Hintergrund des im 19. Jahrhundert anwachsenden Antisemitismus. Dieser "moderne" oder "bürgerliche" Antisemitismus war vom Bild des mit dem Kommunismus verschworenen internationalen "Finanzjuden" beherrscht. "Die produktive Arbeit des Kapitalisten, ob er seinen Profit mit dem Unternehmerlohn wie im Liberalismus oder dem Direktorengehalt wie heute rechtfertigte, war die Ideologie, die das Wesen des Arbeitsvertrags und die raffende Natur des Wirtschaftssystems überhaupt zudeckte. Darum schreit man: Haltet den Dieb" und zeigt auf den Juden." Da die Juden jahrhundertelang aus den gesellschaftlichen Strukturen und der Produktion ausgeschlossen waren, waren sie bei der Entstehung der neuen Institutionen der bürgerlichen Gesellschaft auch nicht durch die Einbindung in überkommene Bindungen wie Zünfte etc. behindert und konnten so in die neu entstehenden Bereiche besonders schnell vordringen. "Die Juden waren Kolonisatoren des Fortschritts. Seit sie als Kaufleute römische Zivilisation im gentilen Europa verbreiten halfen, waren sie im Einklang mit ihrer patriarchalischen Religion die Vertreter städtischer, bürgerlicher, schließlich industrieller Verhältnisse. Sie trugen kapitalistische Existenzformen in die Lande und zogen den Haß derer auf sich, die unter jenen zu leiden hatte."
Selbstverständlich bildeten sie auch in den fortgeschrittenen kapitalistischen Bereichen von Handel und Wissenschaft nur eine Minderheit. "Die Juden hatten die Zirkulationssphäre nicht allein besetzt. Aber sie waren allzu lange in sie eingesperrt, als daß sie nicht den Haß, den sie seit je ertrugen, durch ihr Wesen zurückspiegelten." Und hier ergeben sich Hinweise auf den Hintergrund des veränderten antisemitischen Feindbildes. "Der Liberalismus hatte den Juden Besitz gewährt, aber ohne Befehlsgewalt. Es war der Sinn der Menschenrechte, Glück auch dort zu versprechen, wo keine Macht ist. Weil die betrogenen Massen ahnen, daß dies Versprechen, als allgemeines, Lüge bleibt, solange es Klassen gibt, erregt sich ihre Wut; sie fühlen sich verhöhnt... Das Hirngespinst von der Verschwörung lüsterner jüdischer Bankiers, die den Bolschewismus finanzieren, steht als Zeichen eingeborenener Ohnmacht, das gute Leben als Zeichen von Glück. Dazu gesellt sich das Bild des Intellektuellen; er scheint zu denken, was die anderen sich nicht gönnen, und vergießt nicht den Schweiß von Mühsal und Körperkraft. Der Bankier wie der Intellektuelle, Geld und Geist, die Exponenten der Zirkulation, sind das verleugnete Wunschbild der durch Herrschaft Verstümmelten, dessen die Herrschaft sich zu ihrer eigenen Verewigung bedient."
Das Feindbild des modernen bürgerlichen Antisemitismus war eine Reaktion auf die Bedrohung, die von den fortschrittlichsten Kräften der gesellschaftlichen Entwicklung ausging. Ihre abstrakte Seite, nämlich die durch die rasche Entfaltung des industriellen Kapitalismus entstandene Krisenhaftigkeit der Gesellschaft in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht, wurde von der konkreten Erscheinung getrennt, von den entstehenden Fabrikanlagen und dem industriellen Fortschritt. Geld und Geist, das Finanzkapital sowohl wie auch der Kommunismus bzw. überhaupt die seit Mitte des 19. Jahrhunderts anwachsende Linke waren die Kräfte, die für Bürgertum und Kleinbürgertum als dominierende gesellschaftliche Klassen eine Existenzbedrohung darstellten.
Können diese Hinweise nun zur Erklärung des bürgerlichen Antisemitismus beitragen, so deuten sie doch gleichzeitig darauf hin, daß dieser gesellschaftliche Hintergrund nicht mehr besteht. Eine Überlegung, der auch Horkheimer und Adorno in dem angefügten letzten Abschnitt der "Dialektik der Aufklärung" über die "Elemente des Antisemitismus nachgingen: "Der jüdische Mittelsmann wird erst ganz zum Bild des Teufels, nachdem es ihn ökonomisch eigentlich nicht mehr gibt; das macht den Triumpf leicht und noch den antisemitischen Familienvater zum verantwortungsfreien Zuschauer der unaufhaltsamen geschichtlichen Tendenz, der nur zugreift, wo es seine Rolle als Angestellter der Partei oder der Zyklonfabriken erfordert."
In der nachfaschistischen Gesellschaft aber gibt es den jüdischen Mittelsmann nicht nur ökonomisch nicht, er existiert auch gesellschaftlich nicht mehr. Die Nazis haben sich mittels der Rassengesetze die Verkörperung des antisemitischen Feindbilds geschaffen, um ihren Triumpf der Vernichtung vollziehen zu können. Die wenigen Überlebenden sind zum großen Teil emigriert - so daß nun tatsächlich keine dem vorfaschistischen Deutschland entsprechende jüdische Bevölkerung gibt. "Die Ausgrenzung bestimmter Menschengruppen erfolgt - wie sich am Beispiel der Juden im Faschismus zeigt - nicht primär aufgrund ihrer 'Fremdartigkeit', sondern die 'Fremdartigkeit' wird vielmehr konstituiert, um die eigenen Chancen der Beteiligung an den knapper werdenden Arbeits- und Lebensmöglichkeiten zu sichern"(Ute Osterkamp). Um diesen Mechanismus aber wirksam werden zu lassen, muß auch die Ausgrenzung einer sichtbar gemachten Gruppe erfolgen, da der Zweck dieser Konstruktion ja gerade darin liegt, eine an sich abstrakte Bedrohung der eigenen Lebensbedingungen einer konkret angreifbaren Gruppe zuzuschreiben, gegen die dann die (herrschaftsstabilisierende) Aggression gelenkt werden kann.
Das massive Anwachsen offener rassistischer Aggression ist unschwer als Reaktion auf Existenzängste zu verstehen, auf die Bedrohung, die von der gesellschaftlichen Entwicklung ausgeht. Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Technisierung, Umweltzerstörung seien hier nur als Stichworte genannt für die innerhalb weniger Jahre plötzlich als sehr beängstigend und bedrohlich wahrgenommenen Zukunftsaussichten, mit denen sich nicht mehr nur eine sogenannte "unterprivilegierte Minderheit" konfrontiert sieht. Es sind diese Ängste, die in der ansteigenden rassistischen Aggression gegen Asylanten, gegen Sinti und Roma, gegen osteuropäische und südländische Ausländer und Ausländerinnen abreagiert werden.
Da dennoch nun gleichzeitig mit dem Anwachsen dieser Tendenzen ein solch massiver Antisemitismus zutage tritt, wie er sich in der Welle der Friedhofschändungen zeigt, kann nur so verstanden werden, daß die genannten Formen rassistischer Aggression das aus der Bedrohung resultierende Stabilitätsbedürfnis nicht vollständig abdecken. Offenbar bleibt nur noch eine Leerstelle, die nur der Antisemitismus füllen kann.
Was sind aber die spezifischen Elemente der Bedrohung, die sich der These zufolge nun in wachsendem Antisemitismus niederschlagen?
Die rassistische Sublimierung der Angst vor Arbeitslosigkeit konzentrierte sich bislang auf die Behauptung, "die Ausländer" nähmen "den Deutschen" die Arbeitsplätze weg. Die reale Entwicklung aber erweist dieses "Argument" immer unübersehbarer als falsch. Es wird immer deutlicher, daß Arbeitsplätze nicht von Ausländern und Ausländerinnen weggenommen, sondern durch Technologien wegrationalisiert werden. Hinzu kommt, daß die rassistische Haltung gegen ausländische Arbeiter und Arbeiterinnen wesentlich von dem Gegensatzpaar Zivilisation - Unterentwicklung bestimmt ist. Ausländer und Ausländerinnen werden als unterentwickelt, dumm, arm etc. gesehen, um so die eigene Zugehörigkeit und Teilhabe am hier herrschenden Wohlstand durch Abgrenzung zu sichern. Die technologische Entwicklung, die nun immer unübersehbarer als eigentliche Existenzbedrohung zutage tritt, ist aber das genaue Gegenteil und kann deshalb nicht den als "unterentwickelt" Gehaßten zugeschrieben werden.
Der allgemeine Verarmungsprozeß, der sich etwa in der Wohnungsnot oder im Sozialabbau zeigt, wird in der rassistischen Sublimierung den Asylanten und "Wirtschaftsflüchtlingen" zugeschrieben, die es nur auf "unseren" Wohlstand abgesehen hätten. Auch dieses "Argument" verliert zunehmend an Wirksamkeit: Die so begründete Abwehr von Ausländern und Ausländerinnen ist über veränderte Zuzugsregelungen, verschärfte Ausweisungspraxis, die Aufhebung des Asylrechts etc. bereits von der Regierungspolitik aufgegriffen worden. Trotzdem aber nimmt der Verarmungsprozeß nicht ab.
Hinzu kommt noch eine weitere Entwicklung in der ehemaligen DDR, die einen ganz anderen Problemkreis berührt. Dort besteht ein immenses Bedürfnis nach einem Sündenbock, dem die Schuld an der nun offensichtlichen und sich von Tag zu Tag verschlimmerenden Misere zugeschrieben werden kann. Dieses Bedürfnis steht in einem besonderen Dilemma: Mit der Einführung der "Marktwirtschaft" haben sich die Lebensbedingungen ganz erheblich verschlechtert. Der lange als "Erlöser" herbeigesehnte Kapitalismus kommt - weil nicht sein kann, was nicht sein darf - als Ursache nicht in Frage. Aber die Schuld kann auch nicht dauerhaft in einem der Vergangenheit angehörigenden System gesehen werden. Wegen der ansteigenden Verarmung muß vielmehr ein Sündenbock gefunden werden, der auch noch weiterhin wirksam ist. Die ominösen "alten Seilschaften" stellen nur das Zwischenglied der in der Ausrichtung auf den zunächst abstrakten und von seinen konkreten historischen Erscheinungen abgelösten Feind: den Kommunismus bzw. die Linke allgemein und "die Intellektuellen", die aus diesem Blickwinkel mit "der Linken" identisch sind, weil Kritik ganz allgemein den Vollzug des Verdrängungsprozesses gefährdet.
Es besteht also das Bedürfnis nach einem Feindbild sowohl für die aus der technischen Entwicklung resultierende Bedrohung als auch für eine zunächst abstrakte Kraft der Linken und Intellektuellen, die sich in den Repräsentanten der ehemaligen DDR nicht erschöpfend manifestieren kann und die sogar eine handlungsmächtigere Kraft darstellen muß als die paar realen Linken der DDR und der BRD.
Der Kombination eben dieser Bedürfnisse entspricht die Struktur des Antisemitismus. In seiner einzigartigen Verbindung der Zirkulationselemente, der fortschrittlichsten Bewegungen sowohl des Kapitals wie des "Geistes" erfüllt der Jude die Anforderungen an das gesuchte Feindbild wie kein anderer. Der Antisemitismus kann ungeachtet der fehlenden gesellschaftlichen Grundlage ohne großen Aufwand reaktiviert werden, weil die antisemitischen Strukturen seit dem Nazifaschismus in verschiedenen Formen der Verdrängung konserviert wurden.
Der verdrängte Antisemitismus also wird nun enttabuisiert und tritt um so aggressiver zutage. Das hängt wiederum auch damit zusammen, daß mit der Entstehung des neuen Großdeutschland allgemein das "Ende der Nachkriegszeit" gefeiert wird, womit zwangsläufig die Frage nach den Ursachen der Teilung, nach der Schuld und nach der Verantwortung für die Shoa sich stellt - was nach 40 Jahren Verdrängung natürlich nicht in Aufarbeitung münden kann, sondern nur in zwanghafte, "endgültige" Wiederholung.
Das Bedürfnis, das seine Erfüllung im Antisemitismus sucht, ist also ein immens starkes. Es tritt nun auf das Problem, daß es keine den Bedürfnissen entsprechende Zahl von Juden gibt, an denen es sich ausleben könnte. So bleibt zunächst nur der Rückgriff auf die Friedhöfe - zumal diese auch in besonderer Weise an die verübten Verbrechen erinnern und schon deshalb die Zerstörungswut herausfordern. Daß selbst an den Friedhöfen die Konstituierung des Feindbildes entsprechend den beschriebenen Strukturen vollzogen wird, wurde besonders deutlich bei einer Grabschändung vor mehreren Monaten auf einem Ostberliner Friedhof, bei der auch das Grab von Bertolt Brecht verwüstet und mit der Aufschrift "Jude" beschmiert wurde. Als Linker und Intellektueller fällt Brecht unter die Kriterien des Feindbildes und wird folglich kurzerhand zum Juden erklärt.
Bisher war hier immer von gesellschaftlichen Mechanismen oder zumindestens von breiteren gesellschaftlichen Strömungen die Rede. Die Schändungen der Friedhöfe aber waren zunächst Taten von Einzelnen, sicher auch in gewisser Wiese von gesellschaftlichen Außenseitern. In den Pressemeldungen wurden sie sofort, je nach angesprochenem Publikum, als "Neonazis", als "Skinheads" oder als "Modernisierungsverlierer" etikettiert. Vermutlich wir das im Einzelnen sogar zutreffen - nicht aber die Schlußfolgerung, die damit suggeriert werden soll, wo sie nicht offen ausgesprochen wird: daß es sich nämlich um "verrückte" Taten von "Einzelgängern", um nicht ernstzunehmende "Dumme-Jungen-Streiche" oder um Taten weniger unverbesserlicher "Ewiggestriger" handele. Die individuelle Situation der Täter kann lediglich einen Hinweis liefern, warum bei ihnen die Hemmschwelle zu solchen Aktionen niedriger angesetzt ist als bei anderen, warum sie sich so und nicht etwa in einem Springer-Artikel oder einer "Spiegel- Kolumne zu Wort melden.
Das Anwachsen des Antisemitismus ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen - wie sich drastisch am Vergleich mit der Situation in Frankreich zeigt. In Frankreich ist ähnlich wie in der BRD eine allgemeine Ausbreitung rassistischer Aggression zu verzeichnen. Gleichwohl ha die Friedhofschändung von Carpentras einen Sturm öffentlicher Empörung hervorgerufen, es gab große Protestdemonstrationen, an denen sich die führenden Politiker aller großen Parteien beteiligt haben. Auch wenn diese Reaktion ebenso schnell, wie sie aufkam, dem europäisch-vereinheitlichten rassistischen Alltag zwischen staatlicher Asylrechtsaushöhlung und nächtlichen Überfällen gewichen ist, so ist dies doch ein frappierender Gegensatz zu den Reaktionen hierzulande: Es gab gar keine. Bis auf vereinzelte lokale Leserbriefe war die Reaktion gleich null, nicht einmal die vor einigen Jahren noch als unvermeidlich angesehenen rhetorischen Pflichtübungen politischer Besinnlichkeitsdarsteller wurden absolviert.
Gleichzeitig mit dieser fast schon gewalttätigen Ignoranz aber werden antisemitische Tendenzen hofiert und vorangetrieben, von Medien wie von führenden Politikern. Die Palette reicht von offenen Antisemitismus etwa im "Spiegel" ("Gysi, der Drahtzieher") - die jüngsten Sprengstoffanschläge auf PDS-Büros und -veranstaltungen, die Störaktionen mit "Juden Raus"-Rufen setzen den Trend fort) bis hin zu der arroganten Weigerung der Bundesregierung auch nur Stellung zu beziehen zu der Forderung, eine an die Shoa erinnernde Präambel in den Einigungsvertrag bzw. in eine gesamtdeutsche Verfassung aufzunehmen. Nicht die geringste Reaktion wird für nötig befunden, selbst die verlogenen Betroffenheitsrituale der vergangenen Jahre sind dem dummdreist zur Schau getragenen "nationalen Selbstbewußtsein" gewichen. Vor diesem Hintergrund ist überdeutlich: Die Schändungen der Friedhöfe sind kein Höhepunkt, sondern müssen als erster Ausdruck eines Gewaltpotentials verstanden werden, das der großdeutsche Staat hervorbringt.
M.Dietiker, A.Jansen, B.Rosenkötter, Entabuisiert aus: KONKRET 1/91

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Most recent revision: April 07, 1998

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