Teil 1
"Ich, Hermann Friedrich Graebe,
erklaere unter Eid: Von September 1941 bis Januar 1944 war ich Geschaeftsfuehrer und leitender Ingenieur einer Zweigstelle der Baufirma Josef Jung, Solingen, mit Sitz in Sdolfunow, Ukraine. Als solcher hatte ich die Baustellen der Firma zu besuchen. Die Firma unterhielt u. a. eine Baustelle in Rowno, Ukraine. In der Nacht vom 13. zum 14. Juli 1942 wurden in Rowno alle Insassen des Ghettos, in dem sich noch ungefaehr 5000 Juden befanden, liquidiert. Den Umstand, wie ich Zeuge der Aufloesung des Ghettos wurde, die Durchfuehrung der Aktion waehrend der Nacht und am Morgen, schildere ich wie folgt: ... Kurz nach 22.00 Uhr wurde das Ghetto durch ein grosses
SS-Aufgebot und einer etwa 3-fachen Anzahl ukrainischer
Miliz umstellt und daraufhin die im und um das Ghetto
errichteten elektrischen Bogenlampen eingeschaltet. SS-
und Miliztrupps von je 4 bis 6 Personen drangen nun in
die Haeuser ein oder versuchten einzudringen. Wo die
Tueren und Fenster verschlossen waren und die
Hauseinwohner auf Rufen und Klopfen nicht oeffneten,
schlugen die SS- oder Milizleute die Fenster ein, brachen
die Tueren mit Balken und Brecheisen auf und drangen in
die Wohnungen ein. Wie die Bewohner gingen und standen,
ob sie bekleidet waren oder zu Bett lagen, so wurden sie
auf die Strasse getrieben. Da sich die Juden in den
meisten Faellen weigerten und wehrten, aus den Wohnungen
zu gehen, legten die SS- und Milizleute Gewalt an. Mit
Peitschenschlaegen, Fusstritten und Kolbenschlaegen
erreichten sie schliesslich, dass die Wohnungen geraeumt
wurden. Das Austreiben aus den Haeusern ging in einer
derartigen Hast vor sich, dass die kleinen Kinder, die im
Bett lagcn, in einigen Faellen zurueckgelassen wurden.
Auf der Strasse jammerten und schrien die Frauen nach
ihren Kindern, Kinder nach ihren Eltern. Das hinderte die
SS nicht, die Menschen nun im Laufschritt unter Schlaegen
ueber die Strassen zu jagen, bis sie zu dem
bereitstehenden Gueterzug gelangten. Waggon auf Waggon
fuellte sich, unaufhoerlich ertoente das Geschrei der
Frauen und Kinder, das Klatschen der Peitschen und die
Gewehrschuesse. Da sich einzelne Familien oder Gruppen in
besonders guten Haeusern Ich entfernte mich gegen 6 Uhr frueh fuer einen Augenblick und liess Einsporn und einige andere deutsche Arbeiter, die inzwischen zurueckgekommen waren, zurueck. Da nach meiner Ansicht die groesste Gefahr vorbei war, glaubte ich, dieses wagen zu koennen. Kurz nach meinem Weggang drangen ukrainische Milizleute in das Haus Bahnhofstrasse 5 ein und holten 7 Juden heraus und brachten sie zu einem Sammelplatz innerhalb des Ghettos. Bei meiner Rueckkehr konnte ich ein weiteres Herausholen von Juden aus diesem Hause verhindern. Um die 7 Leute zu retten, ging ich zum Sammelplatz. Auf den Strassen, die ich passieren musste, sah ich Dutzende von Leichen jeden Alters und beiderlei Geschlechts. Die Tueren der Haeuser standen offen, Fenster waren eingeschlagen. In den Strassen lagen einzelne Kleidungsstuecke, Schuhe, Struempfe, Jacken, Muetzen, Huete, Maentel usw. An einer Hausecke lag ein kleines Kind von weniger als einem Jahr mit zertruemmertem Schaedel. Blut und Gehirnmasse klebte an der Hauswand und bedeckte die naehere Umgebung des Kindes. Das Kind hatte nur ein Hemdchen an ..."
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