Teil 18

"»Kommado 99 - Pferdestall«

Im KL Buchenwald hatte die SS eine eigene Liquidationsanstalt neben der Reithallee, außerhalb des Stacheldrahtbereichs. Dort wurde nur erschossen. Für das Kommando bestand bei der Kommandantur das Stichwort »99«. Die Scharführer wurden ihm, soweit sie sich nicht freiwillig gemeldet hatten, abwechselnd zugeteilt.

Wenn die ahnungslosen Opfer, fast durchweg russische Kriegsgefangene, in den Stall kamen, hielt der leitende SS-Offizier des Mordkommandos eine kurze Ansprache, die übersetzt wurde: »Sie sind in einem Sammellager. Um die Ansteckungsgefahr zu vermeiden, müssen Sie vorher untersucht, desinfiziert und gebadet werden. Beim Ausziehen zuerst den Rock, dann die Hose hinlegen, die Schuhe daneben stellen, die Erkennungsmarke in die Schuhe legen, damit es keine Verwechslungen gibt.« Die Scharführer gingen in weißen Mänteln umher, um Ärzte vorzutäuschen. Dann hieß es: »Die ersten sechs Mann zum Baden"« Ein Lautsprecher wurde auf volle Stärke eingeschaltet, der Grammophonmusik brachte, während durch einen anderen Namen und Nummern laut gerufen wurden. Zur selben Zeit spielte sich in den nächsten Räumen die blutige Traggödie ab. Die zum »Baden« bestimmten Opfer gingen in einen kleinen Raum, der schalldichte Wände und Türen hatte; er war als Baderaum ausgestattet, mit Fliesen am Boden und an den Wänden und acht Duschen. In der Tür befand sich ein 30 Zentimeter breiter und drei Zentimeter hoher Schlitz. Ein SS-Mann schloß die Tür fest zu und schoß die auf das Bad Wartenden mit einer automatischen Pistole zusammen. Lagen alle am Boden, oftmals nicht tödlich getroffen, so wurden sie auf ein Lastauto geworfen, das mit Zinkblech asugeschlagen war. Die Duschen wurden aufgedreht, das Blut weggespühlt - die nächsten konnten antreten! Auf diese Weise wurden an manchen Tagen von neun Uhr abends bis fünf Uhr morgens 500 Mann »gebadet«."

  • Eugen Kogon, Der SS-Staat S. 187