Teil 27
"Die Kommandantur der Auschwitzer
Lager wartete jedoch nicht, bis der Bau der Krematorien
in Birkenau fertiggestellt war, sondern begann sofort mit
der Massenvernichtung der Menschen. Zwei kleine Bauernhäuser des von den Nazis geräumten Dorfes Brzezinky (Birkenau) wurden umgebaut und primitiv als Gaskammern eingerichtet; diese Häuser lagen etwa einen halben Kilometer westlich von der Desinfekeionsstation. Die Häuser maßen 6 x 12 Meter und waren in vier Kammern eingeteilt, die mit schweren Türen verschlossen wurden; eine gleiche Tür befand sich auch in der jeweils gegenüberliegenden Wand. In einer anderen Wand oben war ein kleines vergittertes Fenster. Vor dem Haus befand sich eine riesige Tafel mit der Aufschrift: Desinfektion. Die Vordertür der Kammer trug die Aufschrift: Zur Desinfektion. An der hinteren Tür stand: Zum Bad. Innerhalb der Kammern waren Aufschriften in vielen Sprachen angebracht: Bewahrt Ruhe! Lebensgefährlich! Haltet Ordnung und Sauberkeit! Hinter dem Haus befand sich ein Zaun, der mit Decken verhängt war, damit nicht hindurchgesehen werden konnte. Vor dem Haus standen zwei 9 x 40 Meter große fensterlose Baracken; das waren die Auskleideräume. Die Menschen wurden in Lastautos herangebracht, vor dem Auskleideraum aus dem Wagen gekippt und von einer lückenlosen SS-Postenkette umstellt, die mit automatischen Gewehren, Handgranaten und Maschinengewehren ausgerüstet war; die Posten hatten auch Bluthunde bei sich. Dann wurden die Menschen aufgefordert, sich gruppenweise in den Auskleideraum zu begeben, Frauen und Kinder in den einen, die Männer in den anderen. Es wurde ihnen gesagt, daß sie sich in einem Arbeitslager befänden und Bad und Desinfektion passieren müßten, um vor Ansteckung geschützt zu sein. Daraufhin befahl man ihnen, sich völlig auszuziehen, Kleider und Mäntel ordentlich zusammenzulegen und Wertsachen abzugeben; gleichzeitig versprach man ihnen, daß sie alles wiederbekommen würden. Dann trieb man sie in die Kammern hinein. Geschah es, daß die Menschen das Spiel durchschauten und sich weigerten, die Kammern zu betreten, begann die SS mit Knüppeln, Peitschen und Gewehrkolben auf sie einzuschlagen. Die Bluthunde bissen zu und rissen ihnen ganze Fleischfetzen aus den nackten Körpern. Sobald sich die Kammer gefüllt hatte - und in den Raum von 18 Quadratmetern zwängten sie bis zu 150 Menschen hinein -, schlugen sie die Tür zu, schraubten die Riegel fest und schütteten durch das Fensterchen in der Wand das Gift hinein. Hierauf schlossen sie das Fensterchen hermetisch ab, und einige Minuten lang waren nun Schreie und Stöhnen zu hören. Ungefähr nach einer halben Stunde öffneten sie die hintere Tür der Kammer. Ein schreckenerregendes Bild bot sich dar: die nackeen Frauen und Kinder standen da, tot, in den furchtbarsten Verkrampfungen, ineinander verbissen, die Haut zerfetzt, die Hände zu Fäusten geballt; sie standen aufrecht, denn sie waren derart zusammengepfercht, daß sie nicht umfallen konnten. Eine spezielle Arbeitsabteilung von Häftlingen - das Sonderkommando - zerrte die Leichen aus den Kammern heraus und warf sie in tiefe Gruben, die in der Nähe bereits vorbereitet waren. Dann wurden die Kammern schnell gesäubert, geweißt und mit Kölnischwasser bespritzt, das die Opfer, vor allem die Frauen, in genügender Menge nach Auschwitz mitbrachten; so ahnten die neuen Opfer nichts von der schrecklichen Tragödie, die sich hier gerade abgespielt hatte und auch sie erwartete. Die Vergasung, das Wegräumen der Leichen und die Reinigung der Kammern dauerte etwa eine Stunde, so daß ein Transport von 2 000 bis 3 000 Personen binnen weniger Stunden vernichtet und beiseite geschafft war. Obwohl die Leichen in den Gruben mit Chlor und Kalk begossen und mit Erde zugeworfen wurden, begann sich nach einigen Monaten in der ganzen Umgebung ein unerträglicher Gestank auszubreiten, in allen Quellen und Brunnen tauchten Giftbazillen auf, und es drohte die Gefahr einer Epidemie. Aus diesem Grunde verstärkte man das Sonderkommando. Tag und Nacht, in zwei Schichten, wurden die verwesenden Leichen ausgegraben, auf einer Schmalspurbahn abtransportiert und in der nahen Umgebung auf Scheiterhaufen verbrannt. Das Ausgraben und Verbrennen der 50000 Leichen währte nahezu bis Dezember 1942. Nach dieser Erfahrung wurden die weiteren Opfer der Gaskammern nicht mehr vergraben, sondern auf Scheiterhaufen verbrannt. Nach dieser improvisierten Methode wurden die Menschen bis Februar 1943 vernichtet, bis der Bau der Krematorien beendet war; dann begann man sie darin zu vernichten. Zuerst im Krematorium I, später, nach deren Fertigstellung, auch in den übrigen."
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