Fremde Mentalität Wer hat nicht schon einmal darüber nachgedacht, warum alle Tamilen hierzulande Lederjacken tragen? Ist es ein exotischer Brauch? Oder aber ein Akt der gezielten Provokation gegenüber den Rentnern und Rentnerinnen, die sich trotz langen Arbeitslebens gerade diesen einen Herzenswunsch nach einer Lederjacke nicht erfüllen können, beziehungsweise gegenüber den Bergbauern oder den Tausenden von armen Menschen gegenüber, die es Gottseidank schließlich auch in unserem Land immer noch gibt und deren größter Traum eine Lederjacke aus Sri Lanka ist? Oder liegt es daran, daß Deutschland respektive die Herzen seiner Bewohner so bitterkalt sind, weil die Menschen im Westen immer bloß an noch mehr Geld denken (während seine Landsleute sich, wie ich schon sagte, nicht einmal eine Lederjacke leisten können)? Wäre es da nicht überhaupt besser, alle Menschen - Tamilen und Bergbauern - würden statt immer nur dem Profit und den Lederjacken nachzujagen, des Morgens im Bus miteinander Samba tanzen, wozu - wie wir aus Ländern mit wärmerer Mentalität wissen - die leichteste Bekleidung ausreichen und mit die Lederjacke als Symbol der Trennung der Kulturen hinfällig würde? Oder wenigstens miteinander singen? Könnten davon letztlich nicht wir alle profitieren? Leider ist das reine Zukunftsmusik, denn die Wirklichkeit sieht immer noch anders aus.
Fremde Völker! Die meisten von uns haben schon einmal eins gesehen, am Arbeitsplatz oder in den Ferien. Aber haben wir uns auch wirklich bemüht, sie zu verstehen? Welche Bereicherung könnte die Auseinandersetzung mit einer fremden Mentalität für uns sein! Mit den fremden Völkern umzugehen, kann man lernen. Damit kann jeder bei sich selber anfangen. Nehmen wir ein Beispiel, das durch die jüngste Geschichte noch in aller Munde ist: Den Araber. Der Araber an sich ist eine überaus stolze Masse (sog. arabische Masse, lat. Gummi arabicum) mit uralten Traditionen wie Algebra, Kopfrechnen und Bauchtanzen - Werte, die auch gerade unserer verkopften westlichen Kultur anstehen würden, in der immer noch viel zu viele mit dem Bauch gerechnet und dem Kopf getanzt wird.
Man mag einwenden, daß im Falle Kuwaits selbst ein Araber wie Saddam Hussein, der große irakische Hin- und Heerführer und Mutter aller Schlachten, sich gründlich verrechnet hatte. Aber hätte es zum Golfkrieg kommen können, wenn ganz konkret hier bei uns jeder für sich und vor allem in sich gegangen wäre und vielleicht so hätte erkennen können, daß seine Angst vor Ölverlust (lat. Kastrationangst) nichts anderes als die Furcht Saddam Husseins vor Gesichtsverlust (Arab. Djihad) ist? Mag sein, daß die Menschen dann auch besonnener reagiert hätten, statt durch unkontrollierte Hamsterkäufe die Tierhandlungen in unverantwortlicher Weise zu leeren und darauf zu spekulieren, das die putzigen kleinen Nager zu Schwarzmarktpreisen später dann gegen eine Lederjacke zu tauschen. Eine Rechnung, die bekanntlich auch nicht aufgegangen ist! Wieviele brennende Kerzen und Ölfelder hätten uns erspart bleiben können! Und hätten die Menschen statt dessen nicht besser in den Heiligen Büchern Trost gesucht, die uns die Weltliteratur zu unserer Erbauung mit auf den beschwerlichen Lebensweg gegeben hat? Gerade Christen wie Eugen Söllerankeheineküng können uns hiervon ein lebendiges Zeugnis geben. Steht nicht geschrieben bei Franz Alt, dem Pater Läppisch unserer Tage: "In dem Heiler Jesus haben wir die geistige Atombombe, mit deren Hilfe wir die materiellen Atombomben überwinden können - die privaten, die beruflichen, die politischen und die militärischen Atombomben, die uns gefangenhalten." Und haben wir in Franz Alt nicht auch das geistige Giftgas, das uns von unseren materiellen Blähungen erlösen vermag getreu der apokryphen Lutherworte _Wes des Herz voll, des geht die Hose über?_ Muß hier nicht der Dekalog der Religionen immer wieder neu beginnen, um schließlich ins ökumenische Weltethos zu münden? Denn: Lehrt die Bibel uns nicht Toleranz gegenüber den andersgläubigen Moslembrüdern, wenn es in ihr heißt: Eher kommt ein Kameltreiber ins Himmelreich als ein Faden durchs Nadelöhr? Und sagt nicht der Koran: Besser zwei Ungläubige auf einen Streich, als nur einen auf zwei.
Was aber ist mit den Juden? Sie berufen sich immer noch hartnäckig auf das Alte Testament, obwohl Gott mittlerweile eine neues gemacht hat. Dort aber spricht der Herr: Wehret den Anfängen nicht, vielmehr lasset sie zu sich kommen. Aber wollen dennoch alle Religionen letzten Endes das gleiche, nämlich den Frieden (lat. Djihad)? Ein Wort, das leider immer wieder zu Unrecht mit Heiliger Krieg (dt. Djihad) übersetzt wird, mit allen traurigen Konsequenzen. Wieviel mehr sind da doch die bescheidenen tamilischen Buddhisten zu bewundern, die ahnen, daß alles Irdische nur Tand ist, und die wissen, daß sie auf dieser Welt nicht viel mehr als eine Lederjacke zu erwarten haben. Viele Bergbauern haben das bereits auf eine schlichte Arte begriffen, wenn sie die Tamilen um die Lederjacken beneiden, die ihnen zum Augenfällige Symbol, zum Alpha und Omega (lat. C&A) des hinduistischen Glaubens unserer fremdländischen Gäste geworden sind.
Peter Schneider: aus: Bittermann/Henschel, Das Wörterbuch des Gutmenschen. Zur Kritik der moralisch korrekten Schaumsprache

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Most recent revision: April 07, 1998

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