Teil 19

"Der Reichsarzt-SS Dr Grawitz,, der mit fast sämtlichen Menschenexperimenten der SS zu tun hatte, ordnete 1942 die Infizierung weiblicher Häftlinge des KL Ravensbrücck mit Staphylokokken, Gasbrandbazillen, Tetanusbazillen und Erreger-Mischkulturen an, um die Heilwirkung von Sulfonamiden festzustellen. Die Durchführung übernahm der Ordinarius für Orthopädische Chirugie der Universität Berlin und Chefarzt der Heilanstalt Hohenlychen, Prof. Dr. Karl Gehardt, Freund und Leibarzt Himmlers. Er ließ die Operationen am meist polnischen Frauen durch die SS-Ärzte Dr. Schiedlausky, Dr. Rosenthal, Dr. Ernst Fischer, Dr. Herta Oberhueser vornehmen. Eine tatsächliche verantwortliche Überwachung erfolgte nicht. Infiziert wurden die Frauen, die nicht erfuhren, welche Absichten man mit ihnen verfolgte, in allen Fällen an den Unterschenkeln. Der Einschnitt ging, wie später an den vernarbten Wunden einiger weniger Überlebender ersichtlich war und von Zeugen bestätigt wurde, häufigg bis zum Knochen. Mehrmals wurden den Versuchspersonen außer den Bakterienkulturen noch Holzteilchen oder Holzsplitter und Glasscherben in die Wunden eingelegt. Rasch vereiterten die Beine der Patientinnen. Die rein zur Beobachtung des Krankheitsfortschritts nicht weiterbehandelten Opfer starben unter gräßlichen Schmerzen; aber auch von den übrigen überlebte nur ein geringer Teil. Jede dieser Versuchsreihen umfaßte sechs bis zehn Mädchen, die - in der Regel die schönsten! - aus einer größeren Anzahl ins Revier bestellter Frauen ausgesucht wurden."
  • Eugen Kogon, Der SS-Staat, S. 198